Viele Anekdoten ranken sich rund um dieses bekannte Hotel, einem romantischen und etwas in die Jahre gekommenen Traum in den Bündner Bergen. Kürzlich geriet es jedoch etwas ungünstig in die Schlagzeilen, musste doch die Bilanz deponiert werden und ein finanzkräftiger Investor übernahm die Anlage, um sie nach 140 Jahren rundum zu renovieren. Auch erinnert man sich vielleicht noch an die Sommersession der eidgenössischen Räte, welche im Jahr 2006 hier stattfand. Doch welche Geschichte steckt hinter dem Hotel, das von Starregisseur Paolo Sorrentino im besten europäischen Film des Jahres 2015 zusammen mit dem Hotel Schatzalp optisch zu einem fiktiven und wohl nicht zufälligen Zauberberg verschmolzen wurde? Unternehmen wir doch eine Reise in diese Idylle, auf diesen Berg.

Die Anreise

Der Chauffeur wirft die Türe mit einem kräftigen Schlag zu und es knallt laut. Endlich sind alle Koffer und Taschen verstaut. Als der Motor anspringt, vibriert das ganze Fahrzeug. Nur gemächlich kommt der Wagen durch den tiefen Schnee voran. Links und rechts staubt das pulvrige Weiss vorbei. Karsten ist nach der langen Reise im Zug vor lauter Müdigkeit und durch das gleichmässige Brummen eingeschlafen. Doch Peter, der neben ihm sitzt, kann nicht genug bekommen von der Aussicht auf die gleissenden Bergspitzen und tief verschneiten Wälder. Langsam gewinnen sie an Höhe und passieren das erste Dorf auf dem Weg nach oben. Die Studenten sind laut und aufgeregt, das wird ihr erster Urlaub in einem fremden Land und dann noch im Winter dazu! Das Raupenfahrzeug bahnt sich seinen Weg und biegt langsam um die Kurve, aus dem Wald heraus und der Blick wird frei auf den beschaulichen Ort. Langsam kommen die ersten Häuser näher. Ganz am Ende des Ortes, auf dem Hügel, befindet sich ihr Ziel, ein im Winter leer stehendes Luxushotel. Harald hatte diese ungewöhnliche Unterkunft aushandeln können. Genau genommen quartierten sie sich nicht im eigentlichen Hotel ein, sondern im danebenstehenden Jugendstil-Pavillon. Beheizt von einfachen Öfen würden sie hier schlafen, feiern und zu den Ausflügen starten - wollten sie doch unbedingt dieses neue Sportgerät, „Ski“ genannt, ausprobieren! Auch Eislaufen und Bobfahren steht auf dem Programm. Im Zentrum des Ortes endet die Fahrt mit dem Postauto und die letzten Meter müssen sie zu Fuss zurücklegen. Der Verwalter erwartete Sie bereits und empfängt die jungen Männer mit frisch aufgebrühtem und vor allem heissen Tee. So oder ähnlich muss sich die Ankunft der Studenten der Studentenvereinigung Brecht-Bergen im Hotel Waldhaus in Flims im Jahre 1929 abgespielt haben. Sie sollten zu treuen Stammgästen für viele Jahre werden und nicht unbedeutend dazu beigetragen haben, dass der eigentliche Sommerkurort Flims auch zu einem Wintersport-Mekka wurde. Der bekannte Ferienort, der mit und rund um das Hotel gewachsen ist, ist eng mit dessen Geschichte verbunden. Heute ist diese Reise natürlich viel bequemer geworden. Doch angefangen hat es mit Kutschen und Pferden, dafür hielt das Hotel extra eigene Tiere und Kutscher. Die aufkommende Eisenbahn wurde durch die Rheinschlucht am Ort vorbeigeplant. Dafür kam dann in den Dreissigern, nach langem Verbot in Graubünden, das Auto auf. Zuerst nur im Sommer, später auch im Winter, zum Beispiel mit dem beschrieben Raupen-Postauto. Zugegeben, das war noch eine recht abenteuerliche Angelegenheit verglichen mit der heutigen Autobahn, den Umfahrungstunnels und den klimatisierten Expressbussen mit Platz für 100 Fahrgäste im Halbstundentakt. Für Fernreisende gibt es seit kurzem im Winter direkte Busverbindungen an die Flughäfen Zürich und Altenrhein.





Die Anlage

Das altehrwürdige Hotel liegt etwas versteckt in einem lichten Kiefernwald oberhalb des Dorfes in einer für die Schweiz beinahe einzigartigen, 200’000m2 grossen Parkanlage. Zum eigentlichen Hauptgebäude, dem „Parkhotel“, gesellen sich der Jugendstilpavillon als Gesellschaftshaus mit Restaurants und den grossen Sälen, die Villa Silvana mit ihrem verspielten Charme im Sommerhausstil und das Anfang Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts als Ersatzbau neu errichtete Haus Belmont. Dazu kommt eine Reihe von Residenzen am Rande des Parkes, in welchen die Stockwerkeigentümer den Service des Fünfsterne-Hauses geniessen. Weiter kommen noch die ehemaligen Hotelhäuser Bellavista und Segnes hinzu, die an der Hauptstrasse liegen und heute nur noch Gastronomie und Personalzimmer beherbergen. Die Sport- und Eventhallen, das Ärztehaus und die Wellnessanlagen befinden sich zwischen all diesen Gebäuden verteilt. Die Haupthäuser sind oberirdisch durch die überdachten Wandelgänge und unterirdisch durch Tunnels verbunden. Man verirrt sich leicht in all diesen Winkeln, Gängen und Hallen aus unterschiedlichsten Epochen.

Die Anlage ist recht organisch gewachsen, man versuchte die Gebäude immer so gut wie möglich in die Landschaft einzupassen, trotzdem mögen die verschiedenen Architektur-Stile nicht so recht zueinander passen, bilden aber die Tourismusgeschichte von Flims im Kleinen interessanterweise ziemlich gut nach. Viele Gebäude und Sporteinrichtungen sind aber auch im Laufe der Zeit durch Neubauten ersetzt oder auch wieder abgerissen worden. So zum Beispiel die ehemalige Wäscherei, das alte Belmont, die verschiedenen Hallenbadgenerationen, das Murmeltiergehege, Tennisplätze, der Ententeich oder die Gartenwirtschaft. Die wohl meisten Veränderungen hat aber der berühmte Pavillon erfahren. Aus Angestelltenzimmern wurden Seminarräume, in den Sechzigern wurde die Terrasse durch das Gartenschwimmbad verstellt und die fantastischen Stuckaturen verschwanden unter herabgehängten, zeitgenössischen Decken. In den Siebzigern wurde die Nordfassade komplett verändert, Restaurants machten auf und wieder zu, in den Nullerjahren änderte die Fassade erneut, die alten Mosaikböden wurden wieder freigelegt und die ursprüngliche Terrasse wieder hergestellt. Am beständigsten hielten sich das Parkhotel und die Villa Silvana, doch auch dort wurde ständig umgebaut und die Innenräume neu aufgeteilt. Doch gerade dieses Flickwerk, dem man seine Zeit ansieht, macht den ganz eigenen Charme dieses Hotels aus und bringt dessen beständige Energie zur Erneuerung und Innovation zum Ausdruck. Im Waldhaus gab es das erste elektrische Licht in Flims, die ersten Klosetts mit Wasserspülung, das erste Telefon (noch im Garten, da man Angst vor Kurzschlüssen hatte), und im Pavillon später sogar die erste Wärmepumpe.